Das chaotische Istanbul zurückgelassen, reisen wir nun entlang der ewig langen Schwarzmeerküste. Wir übernachten in kleineren netten Fischerdörfern wo wir mehrmals am Abend oder in der Früh Delfine ganz nahe beobachten können, voll cool. Immer wieder machen wir Abstecher ins Landesinnere, wo hinter der Küste meist Gebirge auf uns wartet mit Bergseen oder in den Fels gebauten Städten.
Yaşa Mustafa Kemal Paşa yaşa!
Die Zeit um den 18.5. ist sowohl der Attatürk Gedenktag, als auch der Tag der Jugend und des Sports (vom Vater der Türken selbst ins Leben gerufen). Das bedeutet, es werden überall im Land noch mehr riesige Türkei- (oder Attatürk-)fahnen aufgehängt, es gibt in jeder Stadt für mindestens 1 Woche Konzerte und Sportevents. Die Türken zeigen sich sehr patriotisch und wir gehen fahneschwingend bei den Umzügen mit und singen zum 100. mal die selben 2-3 Lieder, die die Türken inbrünstig rufen und die hier jedem bekannt sind.
Amasya
Nach einem Konzert in dem Instagram-Städtchen Amasya, das entlang eines Flusses liegt und umgeben von Felsen ist, in die riesige Steingräber geschlagen wurden, stapfen wir zurück zu unserem Camper, der am Parkplatz des Sportplatzes parkt und gehen schlafen. Um 3:00 morgens werden wir aus dem Schlaf gerissen, ein unbeleuchteter LKW bleibt vor dem Sportplatz stehen, mehrere dunkel gekleidete Männer springen vom LKW und es hat den anschein als würde sie lautstark und in kompletter Finsternis ins Gebäude des Sportvereins einbrechen. Wir halten die Luft an und starren gespannt aus einem kleinen Spalt aus dem Fenster. Wir sind das einzige Auto weit und breit. Ich male mir schon aus, wie ich in die Fahrerkabine springe und losdüse, falls sie uns entdecken… nach einer halben Stunde brausen sie mit dem LKW davon nur um um 5:00 wieder zu kommen. Das gleiche Spiel. Letztendlich waren es wohl nur Bühnenarbeiter, die die Bühne vom Konzert letzte Nacht hier abgeladen haben… trotzdem eine unruhige und gruselige Nacht. Am nächsten Morgen werden wir innerhalb kürzerster Zeit auf Grund eines Events, komplett von Autos zugeparkt. Vermutlich war es nicht so schlau, am Tag des Sports am Sportplatz zu übernachten… macht nichts, wir bleiben gern noch eine Nacht in diesem hübschen Städtchen.
Gruseln im Camper und türkische Polizei
Apropos gruselige Nächte. Wir haben natürlich immer wieder Nächte wo wir uns im Camper unwohl fühlen. Wenn wir zb. auf einer Wiese stehen, die nur über eine 20 min Dirtroad erreichbar ist und dann mitten in der Nacht ein Auto herrollt nur um 5 min zu stehen und wieder zurückzufahren. Angst haben wir auch im ärgsten Gewitter, wenn Blitz und Donner uns um die Ohren knallen und wir als höchster Punkt am Berg stehen. Ist der Camper nun ein faradayischer Käfig, oder nicht? Vermutlich ja, wissen tuts aber keiner so wirklich. Achja und die Ohren am besten in jedem Fall zuhalten, denn selbst wenn der Blitz abgeleitet wird, kann der Einschlag so laut sein, dass das Trommelfell platzt… na gute Nacht.
Oder wenn jugendliche Türken zum friedlichen Bergsee kommen um dort mit einer Pistole in die Luft zu schießen… das passiert uns in der Türkei gleich 3x. Das letzte mal an unserem vlt. schönsten Campingspot in der Türkei. Genau auf der Klippe zum Schwarzmeer in schönster Natur, Blick auf die Delfine die zu spielen scheinen. Plötzlich rollt ein Streifenwagen über die Schlaglochschotterstraße. Es gibt hier in der Türkei sehr viele Polizisten und Polizeikontrollen. Sie sind aber eigentlich immer freundlich und vesuchen in gebrochenem Englisch Smalltalk zu führen und uns in der Türkei willkommen zu heißen. So auch dieses mal. Ein Gendarm erzählt uns von seiner älteren Frau, die bei der Polizei arbeitet, er bewundert unseren Camper und erzählt, dass er sich ebenfalls ein Wohnmobil kaufen möchte usw… nach ein paar Minuten rollen die 3 Herren dann weiter zum nächsten Kliff…. und beginnen zum Spaß aufs Meer zu schießen.
Uzungöl – Campino am Limit
Eins der schönsten und zugleich abenteuerlichsten Erlebnisse haben wir in Uzungöl. Man fährt durch ein schmales, waldiges, grünes Tal, entlang an einem reissenden Fluss, bis man zu Uzungöl See kommt. Am Weg bieten Händler ihre Teppiche an. Wir sehen viele Saudis die hier Urlaub machen. Für viele endet die Reise an diesem schönen Urlaubssee, aber nicht für uns. Wir wollen weiter den Berg hoch zum auf 3.100 m gelegenen Lake Aygır. Es wird eine Belastungsprobe, für unsere Nerven und vor allem für unseren Camper. Es geht über Almen vorbei an kleinen Berghütten und Schäferzelten, eine sehr holprige einspurige Schlamm/Schotterstraße hoch. Nicht nur in der Ferne nehmen die Schneefelder zu, nein, auch entlang der Straße türmen sich meterhohe Schneewände auf, es sind links und rechts nur wenige cm Platz um nicht am Schnee zu schrammen. Die Strasse ist stellenweise so steil, dass ich nur mit Schwung im ersten Gang in enge Kurven fahren kann, ohne zu wissen, was hinter der Kurve wartet. Waghalsige Manöver an der Klippe, inkl. zurückrollen wenn Gegenverkehr kommt, gehören ebenfalls zu unserer spassigen Anfahrt. Mit Ach und Krach quält sich Campino hoch. Apropos Krach: immer wieder knallen und schleifen wir bei Mulden und Schlaglöchern mit unserer elektrischen Trittstufe am Boden, bis sie in Georgien dann endgültig den Geist aufgibt… so ganz scheint unser Camper für unsere Offroad Abenteuer nicht gemacht zu sein.
Irgendwie schaffen wir es letztlich zum See und werden mit einer idyllischen Berglandschaft belohnt. Wir packen unseren Griller aus und schmeißen unseren riesen Sack Sardinen drauf. Den hat uns ein Türke, nach einem netten Gespräch am Fischmarkt einfach geschenkt. Das längere Gespräch lief in sehr gebrochenem Englisch ab, bis ich nach ca. einer halben Stunde für eine (wie ich dachte) ganz wichtige Mitteilung, doch noch Google Tranlate anwerfen soll. Der Türke quatscht in mein Handy und es erscheint die Übersetzung: “Lern Türkisch.” Wir lachen. (Ein paar rassistische Bemerkungen über “Araber” folgten, aber die will ich hier nicht vertiefen… wir wollen ihn als guten Türken in Erinnerung halten, der uns Fisch geschenkt hat. 😉 )
Am See-Idyll angekommen, schnaufen wir also durch, beobachten die Saudis, die skurril auf 2 Schwanenbooten über den See paddeln und den Schwanenkopf am anderen Seeufer im Schnee verlieren und genießen das “Camperleben”. Hier wollen wir auf jeden Fall noch einen Tag verbringen und einfach “Sein”. Nach einer doch recht kühlen Nacht, schweben wir tiefenentspannt am nächsten Tag aus unserem Camper und spazieren am See entlang. Plötzlich wird es windig und kalt. Innerhalb von ein paar Minuten beginnt der See einzufrieren! Das bedeutet auch nichts Gutes für das Wasser in den Leitungen des Campers – wir beschließen vorzeitig abzuhauen. Die immer noch “spaßige” und abenteuerliche Route ist bergab etwas einfacher zu handeln und so übernachten wir bei strömenden Regen neben dem reißenden Fluss vor Uzungöl, auf einem Teppichverkäufer Stellplatz. Wow.
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